Kiel – Der Hörsaal 4 in der Kieler Christian-Albrechts-Universität war gut gefüllt: Vor allem Lehrkräfte, Schulleiter, Eltern und Schüler waren gekommen zum Auftakt der neuen Veranstaltungsreihe des Bildungsministeriums „Der Kieler Dialog“. Thema war die Nutzung von Smartphones an den Schulen, die medizinischen und psychologischen Aspekte standen im Mittelpunkt.
„Unsere Schulen sollen einerseits Schutzräume sein für Kinder und Jugendliche, in denen sie sicher sind vor Missbrauch und Gewalt und sich konzentrieren können auf das Lernen. Andererseits müssen die Schülerinnen und Schüler konfrontiert werden mit den Herausforderungen der Zukunft, damit sie vorbereitet und resilient sind. In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns insbesondere bei der Thematik ,Nutzung von Smartphones'“, sagte Bildungsministerin Karin Prien in ihrer Begrüßung am 24. Januar. Umso wichtiger sei eine vertiefte und ernsthafte Diskussion zu den unterschiedlichen Aspekten des Themas. „Wir müssen dringend darüber sprechen – mit allen an Schule Beteiligten. Dabei müssen wir auch die Eltern einbeziehen, denn Kinder brauchen auch gute Vorbilder.“
Schleswig-Holstein habe sich der Debatte schon früh gestellt und sei bundesweit unter den Vorreitern gewesen: „Bereits 2016 haben wir Hinweise zum Gebrauch elektronischer Medien erlassen und seit dem Schuljahr 2023/24 haben wir unsere Grundschulen verpflichtet, eine Regelung zu finden, damit Handys während der Schulzeit nicht privat genutzt werden“, so Prien weiter. Die Ergebnisse einer Umfrage unter den Grundschulen hätten gezeigt, dass dieser Ansatz genau richtig gewesen sei. Am Ende der Diskussionen im „Kieler Dialog“ werde zu beraten und zu entscheiden sein, so Ministerin Prien, ob weitere Maßnahmen geboten seien.
Nach aktuellen Studien verbringen Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren mittlerweile durchschnittlich zehn Stunden pro Tag am Handy. „Die Folgen sind spürbar – gerade auch mit Blick auf das psychische Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler: Cybermobbing, Mediensucht und Konzentrationsschwierigkeiten nehmen zu“, erläuterte sie.
Dr. Ralf van Heek, Landesvorsitzender des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte Schleswig-Holstein, nahm die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen in den Blick und zitierte Studien und seinen Eindruck von den Schuleingangsuntersuchungen: „Den meisten Kindern geht es gesundheitlich gut.“ Im Vergleich 2015 zu den Jahren 2021/22 hätten jedoch die Sehprobleme zugenommen – von 15 Prozent auf 20 Prozent. Entwicklung brauche Bewegung. Bildschirmnutzung erzeuge und verhindere eine sensorische und motorische Entwicklung. Auch die Sprachentwicklung erfordere reale Kommunikation. „Entscheidend für eine gesunde Entwicklung sind die ersten 1000 Tage“, betonte er und machte auf die Kampagne „Bildschirmfrei bis drei“ der Kinder- und Jugendärzte aufmerksam.
Als Problem benannte van Heek das Gaming. „Kinder sollen spielen. Das trainiert die kognitiven Fähigkeiten und funktioniert auch an der Playstation. Das Problem ist die Sucht.“ Er begrüßte die Regelungen des Bildungsministeriums zur Handynutzung an den schleswig-holsteinischen Schulen und forderte: „Aber auch die Inhalte müssen staatlich reguliert werden.“
Dr. Manuel Munz, Chefarzt im Zentrum für Integrative Psychiatrie in Kiel, ergänzte aus seiner Sicht: „Der größte gesundheitliche Risikofaktor bei einer intensiven Smartphone-Nutzung ist die Vereinsamung.“ Er sieht bei Kindern im Grundschulalter eine enge Korrelation von nach außen gerichteten Auffälligkeiten – diese betreffen den Schlaf, die soziale Interaktion und den Bewegungsumfang – mit erhöhter Mediennutzung. Bei Jugendlichen seien es Depressionen und Essstörungen.
Schulpsychologin Patricia Modes: „Reizüberflutung gepaart mit der Informationsflut ist ein Problem für die Kinder und Jugendlichen. Hinzu kommt der Aufforderungscharakter. Das lenkt ab.“ Sie betonte, dass ihre Arbeit sich verändert habe, die Anfragen zu Mobbing würden zunehmen. Sylvia Jürgensen, Förderschullehrerin fügte hinzu: „Schülerinnen und Schüler entwickeln sich nicht mehr altersgemäß. Die Kinder leben in einer entkörperten Welt und das hat Folgen für die gesamte kognitive Entwicklung.“ Sie setzte ihr Modell dagegen: Die Draußen-Schule, die den Schülerinnen und Schülern reale Erfahrungen ermögliche.
Die Veranstaltungsreihe „Der Kieler Dialog“ wird am Montag, 10. Februar, fortgesetzt. Das Thema bleibt die Smartphone- Nutzung an Schulen – jetzt mit Impulsen aus der Schulpraxis, mit beispielhaften Projekten und einem Gespräch mit Eltern und Schülerinnen und Schüler. „Es gibt einen gesellschaftlichen Bedarf und ein gesellschaftliches Bedürfnis, über Smartphone-Nutzung zu sprechen“, bilanzierte Bildungsministerin Prien zum Ende der Auftaktveranstaltung. Im Fokus stünden dabei vor allem die sozialen Plattformen. „Wir müssen auch über eine Regulierung reden“, betonte sie.
Informationen zur Handynutzung an Schulen: https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/themen/bildung-hochschulen/schulrecht-von-a-bis-z?letter=H#glossar_3f0570a4-8ba9-4e58-85d5-24b903fc2568 – Stichwort Handy