Lübeck – Vor dem Holstentor haben heute (26.3.) am frühen Abend vor dem Holstentor in Lübeck mehrere hundert Menschen ihre Solidarität mit der Jüdischen Gemeinde in Lübeck bekundet. Zur Kundgebung hatten gemeinsam die Hansestadt Lübeck, die Jüdische Gemeinde, die Nordkirche und andere Organisationen aufgerufen.
Zum 30. Jahrestag des Angriffs auf die Carlebach-Synagoge in Lübeck teilt der Beauftragte für Jüdisches Leben und gegen Antisemitismus in Schleswig-Holstein, Dr. h.c. Gerhard Ulrich, in Kiel mit:
„Die Erinnerung an den Brandanschlag auf die Lübecker Synagoge vor 30 Jahren sollte uns allen eine Mahnung für die Gegenwart sein. Am 25. März 1994 wurde von vier jungen Männern ein Brandanschlag auf die Synagoge in Lübeck verübt.
Dies war der erste Brandanschlag seit dem Ende des Nationalsozialismus auf eine Synagoge.
Noch heute ist eine Konsequenz daraus, dass die Carlebach-Synagoge mit hohen Sicherheitsvorkehrungen ausgestattet ist und unter ständiger Polizeiüberwachung stehen muss.
Ich bin für die Initiativen vor Ort, die heute die Erinnerung an dieses einschneidende Ereignis vor 30 Jahren wachhalten, dankbar,“ so Dr. h.c. Gerhard Ulrich.
Der insbesondere seit dem 7. Oktober 2023 erschreckende und stark ausgeprägte Antisemitismus führe auch dazu, dass die Sicherheit für das jüdische Leben und der Schutz ihrer Gemeinderäumlichkeiten in Schleswig-Holstein und Deutschland noch bedeutsamer geworden sei. Zugleich wird die Entfaltung jüdischen Lebens in der Mitte der Gesellschaft erschwert.
Im Dezember 2023 gab es – auch in Folge vom 7. Oktober – einen versuchten Brandanschlag auf eine Berliner Synagoge mit einem Gemeindezentrum und einer Kindertagesstätte.
„Somit stehen wir vor der traurigen Bilanz, dass nach wie vor Jüdische Einrichtungen und auch Privatwohnungen durch Davidstern-Schmierereien in Deutschland Zielflächen von blankem Antisemitismus werden. Auch die schweren verbalen und körperlichen Angriffe auf Jüdinnen und Juden in den vergangenen Wochen sind ein Alarmzeichen und ein Armutszeugnis.
Antisemitismus ist kein Kavaliersdelikt und hat mit freier Meinungsäußerung nichts zu tun. Antisemitismus ist eine Gefahr für unsere Gesellschaft und für unsere Demokratie. Antisemitismus zeigt sich derzeit unverhohlen in einem erschreckenden Ausmaß auf vielen unterschiedlichen Ebenen. Prävention und Aufklärung sind wichtiger denn je, und es liegt an jeder und jeden Einzelnen, Haltung zu zeigen, sich zu informieren und sich für ein sicheres und auch sichtbares jüdisches Leben einzusetzen“, so Dr. h.c. Gerhard Ulrich weiter.
Wegen der engen Platzverhältnisse vor der Synagoge war die Abschlusskundgebung auf die Grünfläche vor dem Holstentor verlegt worden. Lübecks Bürgermeister Jan Lindenau: “ Wir waren damals davon ausgegangen, dass so etwas nach den Schrecken der Naziherrschaft nie wieder vorkommen würde“. Sein Appell: „Nie wieder ist jetzt.“
Zur Erinnerung: Am 25. März 1994 hatten vier Männer im Alter von 19 bis 24 Jahren nachts um 2 Uhr mehrere Brandsätze auf die Synagoge in Lübeck geworfen. Fünf Menschen, die im Obergeschoss des Gebäudes schliefen, konnten unverletzt in letzter Minute in Sicherheit gebracht werden.
Die vier jungen Männer wurden unter anderem wegen Brandstiftung zu Haftstrafen zwischen zweieinhalb und viereinhalb Jahren verurteilt. Der Vorsitzende Richter stellte fest, dass einige der Angeklagten nicht einmal gewusst hätten, was eine Synagoge sei.