Kiel – Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack hat heute (14. März) gemeinsam mit dem Leitenden Kriminaldirektor Rolfpeter Ott die Polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2023 vorgestellt.
„Im Vergleich zum Jahr 2022 haben wir 2023 eine deutliche Abnahme der Fallzahlen um minus 11,3 % beziehungsweise minus 24.894 Fälle auf insgesamt 196.289 Straftaten zu verzeichnen. Das klingt auf den ersten Blick nach einer sehr guten Entwicklung. Dieser starke Rückgang ist allerdings in erster Linie auf ein einziges großes Betrugsverfahren aus dem Jahr 2022 zurückzuführen. In diesem Verfahren wurden 33.738 Fälle von Leistungsbetrug mit einem Gesamtschaden von über 17,7 Millionen Euro durch 12 Tatverdächtige erfasst. Wir haben im letzten Jahr darüber berichtet, es ging um eine kostenpflichtige Online Dating Plattform. Ohne dieses sogenannte Umfangverfahren ist eine Zunahme der Fallzahlen um 4,7 % beziehungsweise 8.844 Fälle zu verzeichnen. Im Zehnjahresvergleich war die Kriminalität damit nur im Jahr 2016 (206.541 Fälle) und davor höher“, sagte die Ministerin.
Die Aufklärungsquote sinkt auf 55,9 % gegenüber 61,1 % im Vorjahr. Allerdings ist dieser Rückgang ebenfalls auf das sogenannte Umfangverfahren aus dem Jahr 2022 zurückzuführen. Nur die 55,9 % bedeuten allerdings die höchste Aufklärungsquote seit 1963. Ohne die sehr gute Ermittlungsarbeit der Landespolizei wäre dies nicht möglich.
Dazu sagte Sütterlin-Waack: „Ich bedanke mich daher ausdrücklich bei allen Polizistinnen und Polizisten, aber auch allen Verwaltungsbeamtinnen und Verwaltungsbeamten sowie allen Tarifbeschäftigten, die zur Aufklärung dieser Straftaten beigetragen haben, akribisch ermittelt haben und geschickte Vernehmungen durchgeführt haben. Sie sind es, die für unsere objektive Sicherheit, aber auch für die Steigerung unseres Sicherheitsgefühls sorgen. Dabei gehen sie unermüdlich, sehr engagiert und äußerst professionell vor und riskieren leider häufig selbst ihre Gesundheit. Sie verdienen unseren Respekt und unsere Unterstützung.“
Mit Blick auf die Zusammensetzung der Tatverdächtigen wies die Ministerin auf eine besorgniserregende Entwicklung hin. Insgesamt liegt der Anteil der Tatverdächtigen unter 21 Jahren im Jahr 2023 bei 22,1 % und ist somit erneut leicht gestiegen.
Im Jahr 2023 hat die Anzahl der tatverdächtigen Kinder ein Zehnjahreshoch erreicht. Sie stieg im Vergleich zum Vorjahr um +326/+ 9,6 % auf 3.722 Tatverdächtige an.
Auch die Zahl der tatverdächtigen Jugendlichen (14 bis unter 18 Jahre) stieg im Jahr 2023 erneut an. Im Vergleich zum Vorjahr nahm die Anzahl um +645 Fälle/+9,8 % auf 7.209 Tatverdächtige zu.
Besorgniserregend ist dieser Anstieg auch deshalb, weil der Anteil der Einwohner und Einwohnerinnen unter 21 Jahren an der Wohnbevölkerung Schleswig-Holsteins in den letzten 10 Jahren von 19,7 % auf 19,4 % gesunken ist.
„Erklärt werden kann der deutliche Anstieg der Tatverdächtigen aus diesen Altersgruppen sicherlich mit einem gewissen Nachholeffekt im Anschluss an die „Coronajahre“, in denen die Mobilität und die Teilnahme am sozialen Leben von Kindern und Jugendlichen massiv eingeschränkt waren. Die Prüfung der Ursachen muss hier mit der gebotenen Gründlichkeit erfolgen, damit sinnvolle Gegenmaßnahmen ergriffen werden können, um diese bedauerliche Entwicklung aufzuhalten“, so die Ministerin.
Wie auch im Vorjahr ging Sabine Sütterlin-Waack zudem genauer auf das wichtige Thema Messerangriffe ein.
Seit 2020 werden Messerangriffe bundeseinheitlich als „Phänomen Messerangriff“ in der PKS abgebildet. Messerangriffe im Sinne der Erfassung von Straftaten in der PKS sind solche Tathandlungen, bei denen der Angriff mit einem Messer unmittelbar gegen eine Person angedroht oder ausgeführt wird. Das bloße Mitführen eines Messers reicht hingegen für eine Erfassung als Messerangriff nicht aus.
2023 wurden 1.057 Straftaten mit dem Phänomen Messerangriff erfasst. Im Vergleich zu 2022 stiegen die Fallzahlen damit um 16,3 % beziehungsweise 148 Fälle an. Von den insgesamt 1.306 Opfern wurden 9 getötet und 47 schwer verletzt. 285 Opfer wurden leicht verletzt. Zu den 1.057 Fällen wurden 962 Tatverdächtige erfasst, 59,6 % mit deutscher Staatsangehörigkeit, entsprechend 40,4 % mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit.
„Berücksichtigt werden muss, dass sich die aufgeführten Zahlen auf die Tatverdächtigen beziehen, die bei Straftaten mit dem Phänomen Messerangriff beteiligt waren. Welcher der beteiligten Tatverdächtigen ein Messer eingesetzt hat, lässt sich aus den Zahlen nicht ableiten. Die Information „Messerangriff“ bezieht sich lediglich auf die erfassten Straftaten und nicht auf die einzelnen Tatverdächtigen. Aber genau da wollen wir hin und haben uns im Rahmen der Innenministerkonferenz dafür eingesetzt, dass es ab dem 1.1.2025 neue Erfassungsmodalitäten für dieses Deliktsfeld geben wird. Das bedeutet, dass zu jedem Fall und jedem Tatverdächtigen erfasst werden wird, ob ein Messer mitgeführt oder benutzt wurde. Ab dem Berichtsjahr 2025 werden daher auch Aussagen zur Struktur der Täterschaft möglich sein“, sagte Sabine Sütterlin-Waack.
Rolfpeter Ott, der im Landeskriminalamt die Abteilung für Ermittlungen und Auswertung leitet, erklärte, dass der Diebstahl regelmäßig den größten Anteil an der Gesamtkriminalität ausweist. Im Jahr 2023 beträgt dieser 36,6 %. Die Fallzahlen in diesem Deliktsfeld sind im Vergleich zum Vorjahr um +4.676 Fälle (+7,0 %) auf 71.825 Fälle insgesamt leicht gestiegen.
„Dieser Anstieg könnte eventuell im Wesentlichen durch die allgemeinen Anstiege von Lebenshaltungskosten sowie die Knappheit von Ressourcen und Waren, auch als mittelbare Folgen der Ukraine-Krise, erklärt werden“, so Ott.
Weiter führte der Leitende Kriminaldirektor aus, dass es im Deliktsbereich Wohnungseinbruchsdiebstahl (WED) ebenfalls zu einer Steigerung der Fallzahlen um +22,3 % (+ 596 Fälle) gekommen ist. Hierzu erklärte Ott: „Wohnungseinbruchsdiebstähle haben immer besonders große Auswirkungen auf das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger. Die Zahlen sind zwar gestiegen, die gute Botschaft ist jedoch, dass sie im Vergleich zu 2019 vor Corona um 27 % gesunken sind und somit immer noch weit weg vom Höchststand im Jahr 2015 sind.“ Er appellierte zudem an alle Bürgerinnen und Bürger, ihr Eigentum weiterhin gut zu sichern, damit der Anteil der Versuchstaten weiterhin mindestens auf dem hohen Niveau von knapp 47 % bleibt.
Bei der Rauschgiftkriminalität stellt Rolfpeter Ott hingegen einen gegenteiligen Trend fest. Nach dem steigenden Trend zwischen 2012 und 2021 ist es im Jahr 2023 erneut zu einer Abnahme auf 10.976 Fälle (-104 Fälle / -0,9 %) gekommen. Die Verstöße mit Cannabisprodukten sind mit 6.992 Fällen erneut gesunken (2022: 7.495 Fälle; 2021: 7.885 Fälle). „Im Lichte der aktuellen Diskussion um die bevorstehende Legalisierung von Cannabis wird die Entwicklung dieser Zahlen sehr spannend“, so Ott.
Als dritten Bereich stellte Ott den Deliktsbereich Betrug als Teil der sogenannten Vermögens- und Fälschungsdelikte vor. Hier gibt es, auch ohne das Umfangverfahren aus 2022, einen Rückgang der Fallzahlen um 1,9 % (-375 Fälle).
Phänomene wie beispielsweise „Gewinnversprechen“, Enkeltrick/Schockanrufe oder „falsche Polizeibeamte“, die überwiegend aus dem Ausland heraus begangen werden, traten auch in 2023 auf. Als Opfer dieser Straftaten werden meist gezielt Seniorinnen und Senioren ausgesucht, um ihr Erspartes gebracht. Im Jahr 2023 wurden demnach 27.518 Fälle erfasst, deren Handlungsort im Ausland zu vermuten ist. Dies bedeutet eine erneute Steigerung um 9,1 %. Daher appellierte Ott sehr deutlich: „Achten Sie auf sich selbst und Ihre älteren Angehörigen, damit Sie nicht auf diese Anrufe hereinfallen. Die Polizei holt kein Bargeld in Plastiktüten an der Haustür ab!“