Lübeck – Im Jahr 2021 registrierte die Polizei in der Hansestadt Lübeck 672 und im Bereich Ostholstein 320 Fälle von häuslicher Gewalt (Quelle: PKS 2021 BKA / LKA S.-H.). Die Zahlen sind seit Jahren konstant hoch. Das bestätigten auch die bundesweiten Zahlen. So wurden im Jahr 2020 in Deutschland 148.031 Fälle von Häuslicher Gewalt (HG) polizeilich bekannt. Experten gehen jedoch von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus.
Täglich Polizeieinsätze in HL und OH wegen häuslicher Gewalt
In der Hansestadt Lübeck und auch in Ostholstein werden täglich polizeiliche Einsätze im Zusammenhang mit HG wahrgenommen. Häusliche Gewalt liegt vor, wenn es innerhalb einer bestehenden Partnerschaft oder unter Ex-Partnern zur Androhung oder Ausübung von Gewalt kommt. Die Art und Weise der Gewaltausübung ist sehr unterschiedlich. Ein Großteil der angezeigten Taten basieren auf körperlicher Gewalt, hier vielfach begangen mittels Schlagen, Würgen, Schubsen etc.. Aber auch psychische Gewalt, beispielhaft in Form von Beleidigungen, Stalking und sozialer Kontrolle, spielen neben sexueller Gewaltausübung durch Nötigung und Vergewaltigung eine große Rolle.
Die Mehrzahl der Opfer ist weiblich
Häusliche Gewalt ereignet sich in allen sozialen Schichten. Charakteristisch ist, dass es oft nicht bei einer einzelnen Gewalttat bleibt. Die gewalttätigen Übergriffe wiederholen sich, wobei die Abstände zwischen den einzelnen Taten mit der Zeit immer kürzer werden und deren Intensität zunimmt. Die Mehrzahl der Opfer ist weiblich. Statistiken belegen, dass jede vierte Frau in Deutschland mindestens einmal körperliche oder sexuelle Gewalt durch ihren Partner oder Ex-Partner erfahren hat. Aber auch Männer sind Opfer von häuslicher Gewalt. Laut Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA – PKS 2020) sind 19,5% der Betroffenen männlich.
Übergreifende Netzwerkarbeit
In den vergangenen Jahrzehnten wurde sowohl in der Hansestadt Lübeck, als auch im Bereich Ostholstein zum Schutz der betroffenen Frauen bereits vieles initiiert. Einen großen Anteil daran hat das KIK-Netzwerk, das aus Vertretenden verschiedenster Institutionen wie Polizei, Gericht, Staatsanwaltschaft, Frauenhäusern, Frauen- und Täterberatungsstellen, dem Jugendamt und dem Kinderschutzzentrum zusammengesetzt ist, und auf dem landesweiten Kooperations- und Interventionsprojekt fußt. Durch die übergreifende Netzwerkarbeit können Betroffene und deren Familien frühzeitig unterstützt und vor weiterer Gewalt geschützt werden.
In akuten Gefahrenlagen empfiehlt die Polizei, den bekannten Notruf 110 zu wählen. Sollten Betroffene von häuslicher Gewalt unter ständiger Beobachtung des Aggressors stehen und/oder kontrolliert werden und daher keine Möglichkeit haben, sich aktiv Hilfe zu holen, so hat sich weltweit ein nonverbales Zeichen als stiller Hilferuf etabliert. Es handelt sich um die nachfolgend aufgezeigte Handzeichenfolge mit der Aussage: Hilfe – Häusliche Gewalt. [FOTO1]
Keine Scheu vor dem Polizeiruf
Niemand braucht sich zu scheuen, bei gewalttätigen Auseinandersetzungen innerhalb der Partnerschaft oder ehemaligen Partnerschaft, die Polizei zu rufen. Je nach Situation gibt es verschiedene Möglichkeiten, um Schutz vor weiteren Gewalttaten zu gewährleisten. So kann die Polizei unter bestimmten rechtlichen Voraussetzungen beispielsweise den Aggressor für einen Zeitraum von maximal vier Wochen aus der gemeinsamen Wohnung verweisen und zeitgleich ein Rückkehr- und Betretungsverbot aussprechen. Hierzu stellt die Polizei eine einzelfallbezogene Gefahrenprognose und prüft, ob die erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit und ein gemeinsamer Wohnsitz bzw. Lebensmittelpunkt vorliegen.
In Lübeck sprach die Polizei im vergangenen Jahr in 135, in Ostholstein in 50 Fällen im unmittelbaren Nachgang an die angezeigte Gewalttat eine Wegweisung aus, um Betroffenen und deren Familien zeitnahen Schutz zu bieten. Um längerfristigen Schutz zu erhalten, wird den Betroffenen in diesem Zusammenhang stets empfohlen, eine gerichtliche Schutzanordnung nach dem Gewaltschutzgesetz zu erwirken, je nach Sachlage im besten Falle mit der Zielrichtung einer Wohnungszuweisung für die betroffene Person.
Kontakt- und Näherungsverbot von bis zu vier Wochen
Wohnt der Aggressor nicht in der Wohnung, kommen zum Schutz der Opfer andere rechtliche Instrumente wie ein polizeilich ausgesprochenes Kontakt- und Näherungsverbot von bis zu vier Wochen, ein Platzverweis oder im weiteren Verlauf eine gerichtlich erwirkte Gewaltschutzanordnung in Betracht. In manchen Situationen erfolgt auch aktiv der Wunsch von Frauen, längerfristig in einem Frauenhaus untergebracht zu werden, weil sie sich dort aus verschiedenen Gründen sicherer fühlen als zu Hause. Hier spielt neben dem Täter auch das familiäre Umfeld eine Rolle. Ziel der polizeilichen Maßnahmen in der Situation vor Ort ist es, zwar frühzeitig aber auch sehr sensibel für die oder den Geschädigten die bestmöglichste, langfristig nachhaltige Lösung zu finden und dem Aggressor keine weitere Möglichkeit der Gefährdung zu bieten.
Für Personen, die Opfer von Häuslicher Gewalt geworden sind, stehen auf allen Lübecker und Ostholsteiner Polizeidienststellen speziell ausgebildete Polizeibeamtinnen und -beamte als Ansprechpartnerinnen und -partner zur Verfügung. Bei Straftaten, von denen die Polizei Kenntnis erlangt, muss sie diese weiterverfolgen (Strafverfolgungszwang), daher ist es ratsam, gegebenenfalls zuvor Kontakt zu einer unabhängigen Beratungsstelle aufzunehmen. Die Dienststellen stehen zudem auch allen besorgten Angehörigen oder Freunden für allgemeine Fragen zum Thema Häusliche Gewalt zur Verfügung. Oft sind es Freundinnen und Freunde oder engste Angehörige, denen sich Betroffene zunächst anvertrauen. Dieser Personenkreis besitzt eine wertvolle Schlüsselposition und kann weiteres Vorgehen anschieben oder auch bremsen. Hierin liegt eine große Verantwortung.
Häusliche Gewalt ist keine Privatangelegenheit
Häusliche Gewalt ist keine Privatangelegenheit! Die Polizei legt jedem Betroffenen nahe, sich Hilfe zu holen. Bei Bedarf wenden Sie sich bitte an eine der örtlichen Dienststellen:
Bereich Hansestadt Lübeck
1. Polizeirevier, Tel: 0451 131 6145
2. Polizeirevier, Tel: 0451 1316245
- Polizeistation Buntekuh, Tel: 0451 31701000
3. Polizeirevier, Tel: 0451 1316345
- Polizeistation Eichholz, Tel: 0451 92993930 - Polizeistation Schlutup, Tel: 0451 92993910 - Polizeistation Kücknitz, Tel: 0451 3003630 - Polizeistation Travemünde, Tel: 04502 863430
4. Polizeirevier, Tel: 0451 1316445
- Polizeistation Moisling, Tel: 0451 8097030 - Polizeistation Blankensee, Tel: 0451 693930 - Polizeistation St. Jürgen, Tel: 0451 400770 - Polizeistation Hüxtertor, Tel: 0451 92993920
Bereich Kreis Ostholstein
PR Bad Schwartau, Tel.: 0451 220750
- PSt. Stockelsdorf, Tel.: 0451 498560 - PSt. Ahrensbök, Tel.: 04525 7979910 - PSt. Timmendorfer Strand, Tel.: 04503 40810 - PSt. Scharbeutz, Tel.: 04503 35720 - PSt. Ratekau, Tel.: 04504 7088880
PR Eutin, Tel.: 04521 8010
- PSt. Malente, Tel.: 04523 201780 - PSt. Süsel, Tel.: 04524 7309910 - PSt. Hutzfeld, Tel.: 04527 510
PR Heiligenhafen, Tel.: 04362 50370
- PSt. Oldenburg, Tel.: 04361 10550 - PSt. Fehmarn, Tel.: 04371 503080 - PSt. Lensahn, Tel.: 04363 7939830 - PSt. Großenbrode, Tel.: 04367 310
- PR Neustadt, Tel.: 04561 6150 - PSt. Grube, Tel.: 04364 7669920 - PSt. Schönwalde, Tel.: 04528 510 - PSt. Grömitz, Tel.: 04562 22000
Zudem finden Betroffene beim Bundeshilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ rund um die Uhr kostenfrei unter der Nummer 08000 116 016 Beratung und Hilfe. Die Beratung ist auf Wunsch anonym und in 17 verschiedenen Sprachen möglich. Im Netz zu finden unter: www.hilfetelefon.de
Betroffene Männer können sich an das bundesweite Hilfetelefon „Gewalt gegen Männer“ wenden: Tel.: 0800 1239900 oder sich auf der Homepage www.maennerhilfetelefon.de informieren.
Unter www.ODABS.org können alternativ Beratungsstellen zu den Themen körperliche Gewalt, sexuelle Gewalt und seelische Belastung in unmittelbarer örtlicher Nähe ermittelt werden.
Für von Gewalt Betroffene besteht zudem die Möglichkeit, ihre Verletzungen kostenlos und vertraulich rechtsmedizinisch untersuchen und gerichtsverwertbar dokumentieren zu lassen. www.vertrauliche-spurensicherung-sh.de .
Auch für den potenziellen Täter gibt es Hilfe. Wer befürchtet, gewalttätig gegenüber Angehörigen oder Personen im sozialen Nahbereich zu werden, kann Kontakt zum bundesweiten, kostenfreien Hilfetelefon für Tatgeneigte aufnehmen: Tel.: 0800 70 222 40