
Kiel – Umweltminister Tobias Goldschmidt und Landwirtschaftsminister Werner Schwarz haben den 29. „Jahresbericht zur biologischen Vielfalt. Jagd und Artenschutz“ veröffentlicht.
Im Bereich Artenschutz wirft der Bericht ein besonderes Schlaglicht auf öffentliche Artenschutzmaßnahmen in den stark landwirtschaftlich genutzten Naturräumen Schleswig-Holsteins. Dazu zählen die Erfolge beim Vertragsnaturschutz im Ackerland, die Vernetzung von Naturräumen für wandernde Tierarten, die Wiedervernässung von Mooren oder auch die Förderung von artenreichem Grünland am Beispiel der Insel Föhr. Ein weiterer Schwerpunkt des Berichts liegt auf den Bestandsentwicklungen von Feldtierarten wie Feldhasen, Rebhuhn oder Fasan sowie von Vogelarten wie Schleiereule, Graureiher oder Trauerschnäpper.
Die Wildbienenerhebung ergab eine Überraschung: 19 als verschwunden geltende Arten wurden wiederentdeckt, vermutlich aufgrund der veränderten klimatischen Bedingungen.
Dazu gibt der Bericht einen aktuellen Überblick zur Verbreitung invasiver Tiere und Pflanzen in Schleswig-Holstein, darunter Schmuckschildkröten, Bisamratten, Nutrias oder Nilgänsen. Die Verbreitung invasiver Arten hat in den vergangenen Jahrzehnten stark zugenommen. Ein neu eingeführtes Meldeportal soll helfen, das Auftreten neuer Arten frühzeitig zu erkennen und das Management bei weit verbreiteten verbessern.
Im Bereich der Jagd und des Forstes unterstreicht der Bericht, dass Jagd und Artenvielfalt miteinander einhergehen. Durch die Jagd werden Wildbestände im Idealfall so reguliert, dass diese eine natürliche Waldverjüngung ermöglichen und zum Beispiel die Ausbreitung invasiver Arten eingedämmt wird. Die nach wie vor hohen Schalenwildstrecken zeigen jedoch auch, dass die Jagd eine Daueraufgabe ist, der sich die Jägerinnen und Jäger in den Revieren verschrieben haben. Die erfreulichen Entwicklungen der Niederwildbesätze sind Lohn von regional intensiven Hegebemühungen.
Tobias Goldschmidt: „Resiliente Natur ist kein Selbstzweck, sondern eine Lebensversicherung und Verpflichtung“
Umweltminister Tobias Goldschmidt: „Die Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt und unsere Landesstrategie „Kurs Natur 2030“ sind hervorragende Instrumente, um dem Artenschwund und der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen etwas entgegenzusetzen. Dass unsere Landesstrategie wirkt, zeigt etwa die Verdoppelung der Flächen beim Vertragsnaturschutz innerhalb von zehn Jahren. Auf diesen extensiv bewirtschafteten Flächen erhalten wir damit wertvolle Lebensräume für Amphibien, Insekten oder typischen Vogelarten der Agrarlandschaft. Wir werden diese Strategie weiterhin konsequent umsetzen.“ Er forderte: „Der Umwelt- und Naturschutz muss weiterhin im Zentrum der Arbeit der gesamten Landesregierung stehen. Nur mit vereinten Anstrengungen für mehr effektive Schutzgebiete, einer Stärkung des Naturschutzrechts und schneller umgesetzten Naturschutzprojekten in der Fläche können wir dem Artenschwund etwas entgegensetzen. Wer seine Heimat liebt und für seine Kinder eine gute Zukunft will, der muss die Natur schützen. Denn sie ist unsere Lebensgrundlage.“
Werner Schwarz: „Jägerinnen und Jäger sind für den Schutz der Wälder, den Erhalt der Kulturlandschaft und der Artenvielfalt unverzichtbar“
Landwirtschaftsminister Werner Schwarz: „Unsere Jägerinnen und Jäger leisten mit ihrer Hege und Pflegearbeit einen wichtigen Beitrag zur Bewahrung der biologischen Vielfalt. Insbesondere auch im Hinblick auf das umfangreiche Tierseuchengeschehen ist ihre Arbeit unverzichtbar, um die Wildtierbestände zu erfassen und bei Bedarf zu regulieren. Damit übernehmen sie eine große Verantwortung zum einen für unsere Wildtiere und zum anderen für unsere landwirtschaftlichen Betriebe, indem sie einen Eintrag und die Verbreitung im Land einschränken.“ Das Thema der Artenvielfalt sei auch beim Waldumbau essentiell. „Es liegt in unserer Verantwortung, die Wälder Schleswig-Holsteins für kommende Generationen zu bewahren und sie widerstandsfähig gegen die Herausforderungen des Klimawandels zu machen. Die Lösung dafür sind sogenannte Klimawälder, die unterschiedliche Baumarten enthalten und gegen Wetterextreme resistenter sind. Deshalb brauchen wir beim Waldumbau ein möglichst breites Baumartenspektrum“, erklärte Schwarz.
Thematischer Auszug aus dem Jahresbericht zur biologischen Vielfalt:
Naturschutz:
· Wildbienen und Wespen – ehemals ausgestorbene Arten wiederentdeckt
Einen fundierten Überblick über das Vorkommen von Bienen und Wespen (Stechimmen) hatte bereits ein vom MEKUN gefördertes Projekt (bis 2022) erarbeitet. Nun zeigt sich im Ergebnis der Auswertung, dass die Zahl der für Schleswig-Holstein nachgewiesenen Stechimmen-Arten sich im Vergleich zur Roten Liste von 2001 von 612 auf 649 Arten erhöht. 19 Arten, die als ausgestorben oder verschollen galten, konnten wieder nachgewiesen werden – möglicherweise aufgrund der steigenden Temperaturen im Land. Ausgangsbasis hierfür waren die 105 Arten, die als ausgestorben galten. Das heißt aber auch, dass in Schleswig-Holstein weiterhin 86 Arten nicht mehr nachweisbar sind.
· Entwicklung der Bestände von Trauerschnäpper, Schleiereule, Graureiher, Seeadler und Co.
Der Trauerschnäpper zählt zu den stark gefährdeten Brutvogelarten in Schleswig-Holstein. Der Beitrag im Bericht über ein Projektgebiet in Wäldern nördlich von Itzehoe zeigt, dass es durch das gezielte Anbringen von mardersicheren Nistkästen in geeigneten Lebensräumen möglich ist, den Bestand dieser Zugvogelart zu unterstützen.
Der Brutbestand der Schleiereule weist starke Schwankungen auf, da die Art in schneereichen Wintern große Verluste erleidet und der Aufzuchterfolg stark von der Verfügbarkeit von Mäusen abhängt. Durch die Arbeit des Landesverbandes Eulenschutz im Rahmen eines Nistkastenprojektes konnte sich der Bestand nach starken Rückgängen in den Kältewintern um 2010 in den letzten Jahren wieder langsam erholen.
Der Bestand des Graureihers im Land hat sich 2024 um erfreuliche 7,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erhöht: 2.353 Nester beziehungsweise Brutpaare konnten gezählt werden.
Beim Seeadler konnte die Projektgruppe „Seeadlerschutz“ fünf neue Ansiedlungen zählen, von denen zwei Paare erfolgreich gebrütet haben. Damit steigt der Landesbestand um zwei besetzte Reviere auf 149.
Auf einer Projektfläche von rund 300 Quadratkilometern östlich von Neumünster wurden 20 Rotmilan-Reviere in 2024 besetzt (2021-2023: 17-19 Reviere). Einige Bruten waren aufgrund von Raubtieren (sogenannte Prädatoren) nicht erfolgreich, was dazu führte, dass schließlich 14 Paare mit Jungen gezählt wurden – in den letzten Jahren waren es nur fünf bis zwölf Paare mit Jungen.
Auch beim Weißstorch gibt es gute Neuigkeiten: 514 Horstpaare konnten gezählt werden, das sind 56 mehr als im vergangenen Jahr.
· Feldhasen, Rebhuhn, Fasan
Bestandsentwicklungen von Feldhasen, Rebhuhn oder Fasan sind in einzelnen Jahren auch stark von Witterungseinflüssen geprägt, so haben kalte nasse Jahre immer einen schlechten Einfluss auf die Überlebensrate der Jungtiere. Insgesamt kann festgehalten werden, dass der Feldhase weitgehend stabile Populationen aufweist, allerdings auf einem deutlich niedrigeren Niveau als noch vor 50 Jahren. Für die Rebhuhn- und Fasanenpopulationen gibt es insgesamt einen deutlichen negativen Trend zu verzeichnen.
· Vertragsnaturschutz
Im Vertragsnaturschutz motivieren Ausgleichszahlungen landwirtschaftliche Betriebe auf freiwilliger Basis zu zusätzlichen, ökologisch wertvollen Landnutzungsformen, wovon die Artenvielfalt in Agrarlandschaften profitiert. Dadurch können die Landbewirtschaftenden mögliche Ertragseinbußen oder Mehraufwand ausgleichen.
Der allgemein gut akzeptierte Vertragsnaturschutz nimmt mittlerweile eine Fläche von 44.800 Hektar landwirtschaftlicher Fläche in Schleswig-Holstein ein. Im Jahr 2023 kamen rund 18,9 Millionen Euro bei dieser Fläche für insgesamt 2.819 Antragsstellende zur Auszahlung. Zum Vergleich: 2013 betrug die Fläche noch 24.710 Hektar und es kamen 7,1 Millionen Euro für 1.936 Antragstellerinnen und Antragssteller zur Auszahlung.
· Vernetzung von Naturräumen
Vernetzung von Naturräumen für wandernde Tierarten ist ein essentieller Bestandteil zur Bewahrung unserer Biodiversität. Lineare Infrastrukturelemente wie Straßen oder Bahntrassen, aber auch Wanderhindernisse in Flussläufen wie Sohlschwellen verhindern den Austausch von Populationen und gefährden dadurch langfristig deren Überlebensfähigkeit, da ein Genaustausch nicht mehr ausreichend stattfindet, oder Fortpflanzungsstätten nicht mehr erreichbar sind. Dies betrifft sowohl größere Arten wie den Fischotter, aber auch kleinere wirbellose Arten wie Flohkrebse. Ziel muss es sein die Durchgängigkeit der Landschaft zu gewährleisten. Naturnah ausgebaute Durchlässe unter Verkehrswegen, die auch eine tatsächliche Überwindung der Querung ermöglichen sind dafür besonders wichtig, entscheidend hierbei ist der Anschluss und die naturnahe Gestaltung der angeschlossenen Gebiete. Die weitere Ausbreitung muss von hieraus weiter gewährleistet sein.
· Das neue Rangersystem
Das neue, eigenständige Rangersystem setzt sich über gezielte Aufklärung und Wissenstransfer für ein besseres Verständnis der Besucherinnen und Besucher für die Naturschutzbelange in Schutzgebieten ein. Ab dem Jahreswechsel 2023/2024 sind nun auch in etwa 60 Naturschutz- und Fauna-Flora-Habitat-Gebieten zwölf neue Rangerinnen und Ranger tätig. Ihre Hauptaufgabe ist es, durch gezielte Ansprache und Wissensvermittlung das Verständnis für die in den Gebieten zu beachtenden Ge- und Verbote zu steigern. Neben dieser Aufklärungsarbeit stehen sie als erkennbare Repräsentanten der Naturschutzverwaltung für Fragen der Besuchenden zur Verfügung. Erste Erfahrungen zeigen eine hohe Einsicht und großes Interesse der Bevölkerung. Der Bericht beleuchtet die Aufgaben, Erfahrungen und die Bedeutung des Rangersystems für den Schutz der biologischen Vielfalt.
Jagd und Forst:
· Jagdstrecken
Die Strecken der Schalenwildarten befinden sich auf einem anhaltend hohen Niveau. Rot- und Damwild breiten sich regional weiter aus und das Schwarzwild scheint nach den Streckenrückgängen der Vorjahre wieder in steigender Anzahl vorzukommen.
In den vergangenen Jahren haben sich, abgeleitet aus den Streckenergebnissen, die Hasen-, Kaninchen- und Fasanenbesätze ein wenig erholt. Da andererseits aber auch die Populationen des Raubwildes stetig ansteigen beziehungsweise sich auf einem hohen Niveau befinden, hat es das Niederwild in unserer Kulturlandschaft ohne Unterstützung weiterhin schwer.
· Bedeutung der Niederwildhege
Dies zum Anlass nehmend widmet sich ein Artikel der Niederwildhege. Im Rahmen des Projektes „Niederwildinitiative Schleswig-Holstein“ des Landesjagdverbandes können durch Biotopmaßnahmen und die Förderung des Prädatorenmanagements, gepaart mit einem Besatzmonitoring, lokal bereits spürbare Erfolge verzeichnet werden.
· Klimaresiliente Mischwälder
Die Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt gibt einen historischen Überblick zu Anbauten fremdländischer Baumarten, dem aktuellen Wissensstand sowie den Anforderungen an diese Arten. Wie für die Douglasie, die Roteiche und die Küstentanne mittlerweile nachgewiesen, müssen sich eingeführte Baumarten hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit, ihrer Eignung als Mischbaumart und ihrer Widerstandsfähigkeit gegen biotische Schäden als anbauwürdig erweisen. Darüber hinaus müssen sie ökologisch zuträglich sein und dürfen nicht invasiv wirken.
In einem Auswahlverfahren wurden rund 350 Bestände verschiedener Alternativbaumarten identifiziert, die durch Anbauversuche ergänzt und hinsichtlich der oben genannten Kriterien untersucht werden sollen. Ziel ist die Erstellung von Steckbriefen, die Chancen und Risiken gegeneinander abwägen und Empfehlungen für eine Anbauwürdigkeit geben.
Weitere Informationen:
Der Jahresbericht Biologische Vielfalt wird von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der beiden Ministerien, nachgeordneten Behörden sowie ehrenamtlichen Fachleuten erstellt. Der Bericht bildet eine große Bandbreite des Themas Artenvielfalt im Land ab, die mit vielen Bildern, Tabellen und Grafiken erläutert wird.