Kiel – Nachdem vor drei Jahren das bislang größte Landesstraßen-Sanierungsprogramm startete und mittlerweile rund ein Drittel des 3500 Kilometer umfassenden Netzes wieder in einem Top-Zustand ist, muss nun nachjustiert werden: Wie Verkehrsminister Dr. Bernd Buchholz zusammen mit dem Direktor des Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein (LBV.SH), Torsten Conradt, sowie Geschäftsbereichsleiter Christoph Köster erläuterte, haben sowohl die bisherigen Baustellen als auch die jüngste gutachterliche Zustandserfassung deutlich mehr und vor allem massivere Schäden zutage gefördert als noch 2018 prognostiziert.
„Entgegen den ursprünglichen Erwartungen unserer Experten sind die Schäden an vielen Landesstraßen nicht nur größer, sondern buchstäblich auch tiefgründiger. Das macht die Reparaturen langwieriger und kostspieliger“, sagte Buchholz gestern (21.9.). Zwar werde auch weiterhin die Rekordsumme von bis zu 90 Millionen Euro pro Jahr auf die Straßen gebracht – doch würden die Baufirmen dafür im selben Zeitraum weniger Kilometer schaffen.
Nach den Worten von LBV.SH-Chef Conradt verschiebt sich durch die neuen Erkenntnisse für knapp über die Hälfte der noch offenen Sanierungsprojekte der Fertigstellungstermin um mindestens ein Jahr nach hinten: „Erschwerend hinzu kommt eine neue zeitliche Koordinierung einzelner Maßnahmen, um Umleitungsstrecken freizuhalten, aber auch fehlendes Personal sowie Kostensteigerungen und Lieferengpässe infolge der Corona-Pandemie.“
Klar sei, so Buchholz und Conradt, dass es zum eingeschlagenen Weg der nachhaltigen Sanierung keine Alternative gebe. „Eine schnelle und oberflächliche Sanierung – wie sie in früheren Jahren durchaus üblich war – wird es mit uns nicht geben“, sagte Buchholz. Andernfalls betreibe man reine Straßen-Kosmetik und vergrößere das Problem zu Lasten späterer Generationen.
Nach den Worten des LBV.SH-Sanierungs-Experten Christoph Köster habe die erst vor wenigen Tagen abgeschlossene gutachterliche Zustandserfassung und -bewertung ergeben, dass aktuell über 767 Kilometer Landesstraßen noch dringend sanierungsbedürftig seien. Bis zum Ende dieses Jahres werden allerdings über 400 Kilometer Landesstraßen und knapp 200 Kilometer Radwege wieder nahezu neuwertig sein. „In den kommenden vier Jahren sollen weitere 500 Kilometer einschließlich der dortigen Radwege folgen“, so Buchholz. Zum Sanierungsprogramm zählen auch Brücken und die Ausstattungen der Straßen. Dafür, so der Minister, stelle die Landesregierung allein in der laufenden Legislaturperiode rund 360 Millionen Euro zur Verfügung. Dazu benötige der LBV.SH dringend Ingenieure und Bautechniker, um diese Aufgabe zu stemmen.
Mit Blick auf das aktuelle Schadensbild im Landesstraßennetz sagte Conradt: „Leider müssen wir erkennen, dass viele der Landesstraßen in den tiefliegenden Tragschichten – also dem Herzstück einer jeden Straße – sich zu häufig als signifikant maroder herausstellten, als man es durch die reine Erfassung der Oberflächenstruktur hätte annehmen können. Das ist auch für uns Straßenbauer eine harte Erkenntnis, weil sie zeigt, wie zerstört unser Netz tatsächlich ist und dass wir in Schleswig-Holstein in den vergangenen Jahrzehnten viel zu lange mit der Sanierung abgewartet haben.“
Trotz der bisherigen massiven Sanierungsleistungen stagniert der Anteil schlechter Landesstraßenabschnitte (Zustandsnote unter 3,5) laut Conradt und Köster derzeit bei etwa 27 Prozent. Köster: „Wir müssen die Sanierungen also noch weiter forcieren, um die Landesstraßen auf Normalnull zu bringen.“ Dabei werde an der bereits 2018 vorgenommenen Dringlichkeitsbewertung festhalten. Das bedeute: Jede schlechte Straße komme dran, aber in einem Ranking nach objektiven Kriterien.
Buchholz erinnerte in dem Zusammenhang einmal mehr daran, dass die Landesregierung die Erhaltungsinvestitionen für die Landesstraßen im Vergleich zur letzten Legislaturperiode mehr als verdoppelt habe: „Wenn wir und künftige Landesregierungen diesen Kurs beibehalten, dann werden unsere Landesstraßen Mitte der 2030er Jahre wieder nahezu flächendeckend in Ordnung sein“, so Buchholz.
LBV-Chef Conradt betonte: „Es bleibt eine Mammutaufgabe, die wir nicht alleine stemmen können. Wir sind auf das Verständnis der Bürger und die Unterstützung der Bauwirtschaft, der Logistiker, der Berufspendler und Anlieger angewiesen, um unser Mobilitätsnetz wieder in einen guten Zustand zu bringen.“