Kiel – Nach dem Willen des Umweltministeriums sollen auf den Deponien Lübeck-Niemark und Johannistal in Ostholstein die anstehenden Abfälle aus dem KKW Brunsbüttel abgelagert werden. Dies geht aus dem Entwurf von Anordnungen des Landesamtes für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) hervor, der den beiden Deponiebetrieben jetzt zur Anhörung zugeleitet wurde.
„Ich bedauere, dass es bislang nicht überall gelungen ist, eine freiwillige Lösung für die Deponierung nicht-radioaktiver Abfälle aus den Kernkraftwerken im Land zu finden“, sagte Umweltminister Jan Philipp Albrecht heute in Kiel: „Die Entsorgung herkömmlicher Bauabfälle aus Kernkraftwerken muss im Zuge des Rückbaus gewährleistet sein. Als Land haben wir konstruktiv daran mitgewirkt, Lösungen zwischen den Kraftwerksbetreibern und der Entsorgungswirtschaft zu finden. Wenn es zwischen beiden Seiten zu keinen freiwilligen Vereinbarungen kommt, müssen wir das rechtliche Instrument von Zuweisungen nutzen, um die Deponierung der Stoffe gewährleisten zu können.“
Mit dieser Absichtserklärung schafft das Umweltministerium Klarheit nach einer langen Phase der Information, der Diskussion und der Prüfung. In Frage gekommen wären nach einer Vorauswahl entsprechend von Eignungskriterien auch die Deponien Wiershop und Harrislee sowie Großenaspe. Auf der Deponie Wiershop werden jedoch im Rahmen einer einvernehmlichen Lösung bereits Abfälle aus dem nahegelegenen Kernkraftwerk Krümmel abgelagert. Damit übernehmen die Deponie und die Region einen wesentlichen Teil dieser Entsorgungsaufgabe. Ausschlaggebend für die beabsichtigte Zuweisung an die Deponien Niemark und Johannistal war vornehmlich der breite Katalog der zugelassenen Abfallarten, die geeigneten technischen Umsetzungsmöglichkeiten, aber auch deren verfügbares Restvolumen.
Albrecht verwies darauf, dass eine Gesundheitsgefährdung von Menschen mit der Deponierung ausgeschlossen ist. „Es ist mir bewusst, dass einige Menschen die Ablagerung freigegebener Abfälle von Kernkraftwerksstandorten beunruhigend finden. Dies geht aus vielen besorgten Eingaben an die Landesregierung und einigen kommunalpolitischen Beschlüssen hervor. Diese Sorgen kann und will ich nehmen: Mit der Deponierung dieser nicht-radioaktiven Abfälle geht definitiv keine Gefährdung der Gesundheit einher“, so Albrecht.
Bei dem zu deponierenden Material handelt es sich um sogenannte freigemessene und freigegebene Abfälle. Mit dem Freigabeverfahren wird gewährleistet, dass keine Person der Bevölkerung durch den Umgang mit freigegebenen Abfällen mit einer effektiven Dosis von mehr als 10 Mikrosievert pro Jahr belastet wird.
Hintergrund:
Jeder Mensch ist jeden Tag radioaktiver Strahlung ausgesetzt. Er selbst „strahlt“ mit durchschnittlich 300 Mikrosievert pro Jahr aufgrund der Radioaktivität, die er in sich trägt, zum Beispiel durch eingeatmetes Radon oder durch Kalium-40 und andere radioaktive Stoffe aus dem Verzehr von Nahrungsmitteln. Wer täglich zwei Paranüsse isst, steigert seinen „Jahreswert“ an körpereigener Strahlung nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz um bis zu 160 Mikrosievert. Die gesamte natürliche Strahlenbelastung beträgt in Deutschland im Mittel 2100 Mikrosievert pro Jahr.
Da nahezu überall Radioaktivität vorhanden ist, muss eine Grenze definiert werden, ab der staatlicher Strahlenschutz beginnt und endet, weil unter ihr das Risiko der Strahlung zu vernachlässigen ist. Das international gültige De minimis-Konzept definiert diesen Grenzwert als zulässige Dosis, unterhalb derer kein Regulierungsbedarfs besteht. Die Einhaltung dieses Grenzwerts garantiert die Sicherheit unabhängig von der Menge der zu entsorgenden Massen.
Nähere Informationen hierzu hat die Entsorgungskommission des Bundes (ESK) herausgegeben:
Es gibt keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass dieses sogenannte 10-Mikrosievert-Konzept infrage zu stellen wäre. Die Freigabe muss durch die zuständige Atomaufsicht erteilt werden, wenn das Dosiskriterium eingehalten ist (§ 33 Strahlenschutzverordnung). Eine Freigabe kann dann nicht verweigert werden. Freigabefähige Stoffe dürfen nicht als radioaktive Stoffe in einem Endlager entsorgt werden. Im Rahmen einer gesonderten Überprüfung durch Sachverständige, die durch das MELUND hinzugezogen werden, wird konkret bewertet, ob eine Deponie alle Anforderungen erfüllt, um das Dosiskriterium sicher einzuhalten. Selbstverständlich fallen bei Stilllegung und Abbau der Kernkraftwerke auch radioaktive Abfälle an. Diese werden aber unter Einhaltung hoher Strahlenschutzanforderungen getrennt von freizugebenden Abfällen gehalten und sind gesondert zunächst zwischenzulagern und nach Verfügbarkeit von Endlagern dort dauerhaft einzulagern.
Die Abfälle, die Gegenstand der Zuweisungen sind, stammen vom Gelände des Kernkraftwerkes Brunsbüttel. Es sind zunächst überwiegend Isolierwolle und asbesthaltige Abfälle, wie sie bei Baumaßnahmen an anderen Industrieanlagen auch anfallen und in Deponien entsorgt werden müssten. Für die Deponien gehört der Umgang mit derartigen Abfällen zum Tagesgeschäft. Die Betreiber des KKW hatten im Sommer die für sie zuständige Abfallwirtschaft Dithmarschen (AWD) um Entsorgungsmöglichkeit gebeten. Die AWD verfügt über keine eigene Deponie und konnte keinen anderen Entsorgungsweg für diese Abfälle aufzeigen, so dass sie sich hilfesuchend an das Land gewandt hat. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz enthält für einen derartigen Fall eine Regelung, nach der die zuständige Behörde des Landes die Betreiber von Anlagen in Schleswig-Holstein verpflichten kann, einem Beseitigungspflichtigen, hier der AWD, die zulässige Mitbenutzung der Anlage zu gestatten. Für die Phase ab 2023, die gegebenenfalls auch den Abbau des KKW Brokdorf umfasst, ist ggf. erneut zu prüfen, welche geeigneten Deponien dann zur Verfügung stehen. Grundsätzlich ist dabei darauf hinzuweisen, dass es trotz des Weges einer Verpflichtung weiterhin möglich ist, zwischen Deponie- und KKW-Betreibern zu Verabredungen zu kommen, die geeignet sind, Akzeptanz und Transparenz zu fördern. Das Umweltministerium steht dafür beratend zur Verfügung.